Ist ein lebenslanges Wohnrecht als Mieter wirklich lebenslang?
Wir haben heute eine spannende Entscheidung des BGHs aus November 2018 im Hinblick auf das Thema lebenslanges Wohnrecht. In einem Fall aus Bochum verkaufte die Stadt Bochum 2012 ein Siedlungshaus mit zwei Einheiten. Im Kaufvertrag wurde dabei festgehalten, dass die derzeitigen Mieter ein lebenslanges Wohnrecht erhalten. Dies natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Mieter ihren Mietzahlungsverpflichtungen nachkommen. Die Mieter könnten dabei fast schon zum Inventar gezählt werden, da diese seit 1981 in der Wohnung leben.
Drei Jahre nach Kaufvertrag die Kündigung!
Drei Jahre nach Kauf entschied der neue Vermieter, den derzeitigen Mietern zu kündigen und reichte Räumungsklage vor dem zuständigen Amtsgericht ein. Seine Begründung: nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB dürfe eine Vermieter kündigen, sofern dieser in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen selbst wohnt.
Die Mieter der Wohnung weisen die Kündigung und Räumungsklage zurück und verweisen auf das beim Verkauf eingeräumte lebenslange Wohnrecht.
Wirksamer Kündigungsgrund?
Da der einzige dort festgehaltene wirksame Kündigungsgrund ein etwaiger Mietrückstand sei und dieser nicht vorliege, gebe es auch keine Kündigung.
Durch einen besonderen Passus im Kaufvertrag wird dieser Regelung besonderer Nachdruck verliehen: „Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lasten- und schuldenfrei wiederzukaufen.“
Der Vermieter lässt sich nicht beirren!
Die kaufvertraglichen Fakten kennend strebt der Vermieter dennoch weiter seine Räumungsklage an und zieht vor Gericht, sodass sich zunächst das Amtsgericht Bochum und dann das Landgericht Bochum mit dem Fall befassen müssen. Beide Gerichte weisen die Klage auf Räumung und Herausgabe ab, allerdings lässt das Landgericht Bochum die Revision zu.
Auch der BGH entscheidet gegen den Vermieter
Auch vor dem BGH hat der Vermieter keinen Erfolg. Dieser entscheidet, dass es sich gem. § 328 BGB um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt und dem Mieter in dem Kaufvertrag eigene Rechte gegenüber dem Erwerber der Immobilie eingeräumt werden. Diese Gründe schließen die ausgesprochene Kündigung aus.
Dabei lässt der besondere Passus des Rückkaufrechts darauf schließen, dass es der Stadt Bochum besonders auf den Mieterschutz ankam.
Kläger stellt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen ab
In seiner Klage führt der Vermieter außerdem an, dass es sich bei den Regelungen zum lebenslangen Wohnrecht der Mieter um vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingen handelt, die sich so in einer Vielzahl weiterer Kaufverträge der Stadt Bochum für vergleichbare Siedlungshäuser finden.
Allerdings sah der BGH dieses Argument nicht in der Tragweite des Klägers. In kaufvertraglichen Regelungen dürfe das Recht der Erwerber zur ordentlichen Kündigung für die Lebensdauer der aktuellen Mieter eingeschränkt werden, sofern es den Käufer nicht unangemessen benachteiligt. Die im Vertrag vorliegenden Formulierungen deutete der BGH daher als inhaltlich ausgewogene Regelung für den Verkauf von im kommunalen Eigentum stehenden, von langjährigen Mietern bewohnten Siedlungshäusern.
BGH Urteil vom 14.11.2018, VIII ZR 109/18