Warum ein Teilverkauf selten eine gute Idee für Immobilienbesitzer ist!
Wir haben Einblick nehmen dürfen in eine Teilverkaufsvereinbarung von Engel & Völkers und möchten transparent das aktuell stark beworbene Thema „Teilverkauf“ für unsere Leser darstellen und kritisch anhand eines echten Teilverkaufsvertrags bewerten.
Zunächst einmal: Was ist eigentlich ein (Immobilien-) Teilverkauf?
Ein Teilverkauf einer Immobilie bezieht sich auf den Verkauf eines bestimmten Anteils oder Teils einer Immobilie, anstatt „klassisch“ direkt die gesamte Immobilie als Ganzes zu verkaufen. Dieser Ansatz ermöglicht es einem Eigentümer einen Teil seines Eigentums an einer Immobilie zu veräußern, während er gleichzeitig einen anderen Teil behält und gegebenenfalls sogar in der eigenen Immobilie wohnen bleibt.
Aus welchen Gründen sollte ich eine Immobilie nicht direkt als Ganzes verkaufen?
Die Teilkauf-Anbieter führen oft folgende Gründe bzw. vermeintliche Vorteile hierfür ins Feld:
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Finanzielle Gründe: Der Eigentümer benötigt sofortige Liquidität und entscheidet sich daher dafür, einen Teil der Immobilie zu verkaufen, um Geldmittel freizusetzen.
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Erbangelegenheiten: In Fällen, in denen eine Immobilie von mehreren Erben geerbt wird, kann ein Teilverkauf eine Möglichkeit sein, die Interessen der verschiedenen Erben auszugleichen.
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Investitionen: Ein Eigentümer kann einen Teil seiner Immobilie verkaufen, um Kapital für andere Investitionen oder Projekte zu generieren.
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Altersvorsorge: In manchen Fällen nutzen ältere Eigentümer den Teilverkauf, um ihren Ruhestand zu finanzieren, während sie gleichzeitig in der Immobilie wohnen bleiben können.
Dass ein Teilverkauf einer Immobilie natürlich nicht nur die beworbenen Vorteile mit sich bringt, sollte klar sein. Zunächst einige der Nachteile eines Teilverkaufs als kurze Übersicht, bevor wir auf die genaue vertragliche Gestaltung und die Details eingehen.
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Wertverlust des verbleibenden Teils: Wenn dem Immobilieneigentümer nur noch ein Teil der Immobilie gehört, schränkt dies natürlich auch die mögliche Zielgruppe potenzieller Käufer ein. Im Umkehrschluss kann dies den Gesamtwert des verbleibenden Immobilienteils mindern. Potenzielle Käufer des verbleibenden Teils könnten zögern, da die Immobilie nicht mehr als Ganzes angeboten wird bzw. ein weiterer Besitzer an Entscheidungsprozessen beteiligt ist oder die Entscheidungsgewalt vertraglich eingeschränkt ist.
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Komplexität: Teilverkäufe sind rechtlich und finanziell komplex – das werden Sie im Laufe des Artikels merken. Es erfordert eine sorgfältige Prüfung der Verträge, rechtlicher Aspekte und steuerlicher Implikationen. Dies kann zu zusätzlichen Kosten und Zeitaufwand führen. Mögliche Nachteile gehen oftmals in der Komplexität unter und führen im Zweifel erst später zu einem „bösen Erwachen“.
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Eingeschränkte Optionen für die verbleibenden Eigentümer oder Erben: Nach einem Teilverkauf haben die verbleibenden Eigentümer oder Erben weniger Flexibilität bei der Nutzung der Immobilie, da der neue Mitbesitzer des verkauften Teils eigene bzw. anders gerichtete Interessen verfolgt.
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Mögliche Mieter oder Eigentümerwechsel: Bei einem Teilverkauf besteht die Möglichkeit, dass der neue Eigentümer des verkauften Teils seine Pläne ändert, wie er seinen Immobilienanteil verwendet. Auch für den Fall eines Eigentümerwechsels können plötzlich neue Rahmenbedingungen die Nutzung der Immobilie beeinflussen.
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Steuerliche Auswirkungen: Je nach persönlicher Situation kann der Teilverkauf steuerliche Auswirkungen haben. Es ist wichtig, mögliche steuerliche Implikationen im Vorfeld mit einem Steuerberater zu besprechen. Da es sich um komplexes Fachgebiet handelt, sollten besonders in der Sache qualifizierte Steuerberater zu Rate gezogen werden.
Wer bietet den Teilkauf von Immobilien an?
In der Regel bieten spezialisierte Finanzinstitute und Unternehmen den Teilkauf von Immobilien an. Hierzu gehören Unternehmen wie die Deutsche Teilkauf, Engel & Völkers LiquidHome, HausVorsorge oder Heimkapital.
Die exakten Konditionen eines Teilverkaufs variieren im Wesentlichen in der Bewertung der jeweiligen Immobilie. Im nachfolgenden Beispiel gehen wir Anhand einer uns vorliegenden Teilverkaufsvereinbarung konkret auf die vertragliche Gestaltung ein und vergleichen diese mit dem klassischen Immobilienverkauf als „Ganzes“.
Die uns vorliegende Teilverkaufsvereinbarung ist aus der Unternehmensspähre von Engel & Völkers, die neben ihrer reinen Tätigkeit als Makler in den letzten Jahren – mehr oder minder erfolgreich – versuchen, weitere Segmente und Geschäftsfelder im Immobilienmarkt zu erschließen. So bot Engel & Völkers Digital Invest ein Crowdfunding-Investment – ähnlich dem ImmoInvest Produkt von Immobilienscout24 – an, dass am 04. August 2022 mit einem Insolvenzantrag der finanzierten „Royal Residenz 4 GmbH“ ein jähes Ende fand. Zahlreiche Kleinanleger hatten über Engel & Völkers Digital Invest noch einen Monat zuvor 2,18 Millionen Euro finanziert und sehen sich nun mit hohen ausstehenden Forderungen konfrontiert – Ende offen.
Da die entsprechenden Anbieter von Teilverkäufen die genauen Vertragsmodalitäten äußerst ungerne öffentlich darlegen, finden sich in den Teilverkaufsvereinbarungen in der Regel sogenannte Verschwiegenheitserklärungen. Auch die uns vorliegende Teilverkaufserklärung enthält eine solche, weswegen wir unsere Auszüge und Informationen hieraus so darstellen werden, dass keine Rückschlüsse auf den konkreten Vertrag erfolgen können.
Aufbau einer Teilverkaufsvereinbarung – die Vertragsparteien
Stürzen wir uns in den Vertragsaufbau! Grundsätzlich sind Teilverkaufsvereinbarungen ähnlich zu klassischen Kaufverträgen aufgebaut. Hierzu gehört auch, dass die Beurkundung bzw. der Abschluss vor einem Notar stattfindet. Wie in einem klassischen Kaufvertrag auch, werden zunächst die Vertragsbeteiligten benannt, also Verkäufer und Käufer.
In der Regel handelt es sich bei den Verkäufern um die „Kunden“ der Teilverkaufsanbieter und bei den Käufern um die entsprechenden Unternehmen, in unserem Fall um einen Ableger von Engel & Völkers mit der Bezeichnung „EV LiquidHome […] GmbH“, die zum Notartermin einen bevollmächtigten Vertreter schicken.
Da es sich um einen Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmen handelt, muss der Verbraucher mindestens zwei Wochen vor der notariellen Beurkundung den Vertragsinhalt erhalten haben. Dies dient dem Verbraucherschutz und wird mit einem entsprechenden Passus im Vertrag bestätigt.
Teilverkaufsvereinbarung – Definition des Vertragsgegenstands
Wie in einem klassischen Kaufvertrag beim Immobilienverkauf auch, wird im Anschluss an die Definition der Vertragsparteien der behandelte Vertragsgegenstand, sprich das Grundstück samt Aufbauten definiert. Dies erfolgt in der Regel über das Grundbuch, das Informationen wie Gemarkung, Flur, Flurstück, Wirtschaftsart und Größe des Grundstücks beinhaltet. Hierüber hinaus stehen im Grundbuch auch Angaben zum Eigentümer der Immobilie und ob das Grundstück z.B. mit einem Bankendarlehen oder anderen Rechten bzw. Pflichten belastet ist.
Was genau wird denn eigentlich verkauft?
Recht übersichtlich wird geklärt welcher Teil denn überhaupt verkauft wird. In unserem Fall lautet der entsprechende Passus: „Der Verkäufer verkauft hiermit einen ideellen Miteigentumsanteil von insgesamt 50 % am Grundstück an den Käufer. Mitverkauft sind alle mit dem Kaufgegenstand verbundenen Miteigentumsanteile an wesentlichen Bestandteilen und Zubehör, soweit es dem Verkäufer gehört.“
Auch hierbei finden sich viele Analogien zu einem klassischen Kaufvertrag einer Immobilie. Der wesentliche Unterschied liegt hierbei darin, dass nur ein Teil – nämlich 50 % verkauft wird.
Zu welchem Kaufpreis erfolgt der Teilverkauf?
Im nächsten Absatz erfolgt die Festlegung des Kaufpreises für den vorher benannten 50 %-igen Anteil an dem definierten Grundstück. Um keine Rückschlüsse auf die uns vorliegende Teilverkaufsvereinbarung zu ermöglichen, sind die von uns verwendeten Zahlen fiktiv – die Relation innerhalb unseres fiktiven Beispiels ist aber anlehnend an die uns vorliegende Teilverkaufsvereinbarung und somit aussagekräftig bzw. vergleichbar.
Der in unserem Beispiel festgelegte Verkehrswert der Immobilie beträgt 400.000 €, wonach für die Hälfte ein Kaufpreis von 200.000 € zu zahlen ist. Wie in einem klassischen Kaufvertrag auch stellt der Notar nach Vorliegen aller „Kaufpreiszahlungsvoraussetzungen“ eine sogenannte Fälligkeitsmitteilung an den Käufer, der sodann innerhalb einer Frist von – in dem uns vorliegenden Vertrag 18 Tagen – verpflichtet ist, den Kaufpreis an den Verkäufer zu zahlen.
Die Kaufpreiszahlungsvoraussetzungen sind dabei denen eines klassischen Kaufvertrags sehr ähnlich. Hierzu gehört die sogenannte Auflassungsvormerkung des Käufers ins Grundbuch, der Verzicht der zuständigen Gemeinde auf ein ggf. vorliegendes Vorkaufsrecht oder die Löschung der grundbuchlichen Belastungen.
Übergabe – der erste große Unterschied bei einem Teilverkauf!
Bisher unterscheiden sich ein klassischer Kaufvertrag beim Immobilienverkauf und eine Teilverkaufsvereinbarung kaum. Dies ändert sich beim Punkt „Übergabe“. Während bei einem gewöhnlichen Verkauf einer Immobilie in der Regel ein Übergabezeitpunkt an den Käufer definiert wird, erfolgt bei einem Teilverkauf keine Übergabe. Textlich findet sich hierzu folgender Passus in der Teilverkaufsvereinbarung:
„Eine Übergabe an den Käufer erfolgt nicht. Besitz, Nutzungen und Lasten sowie die Verkehrssicherungspflicht verbleiben aufgrund des Nießbrauchs vollständig beim Nießbraucher. Der Käufer ist von jeder Inanspruchnahme freizuhalten.“
Wir werden noch genauer auf das Thema Nießbrauch eingehen, welches hier zum ersten Mal erwähnt wird, bleiben aber zunächst in der Reihenfolge der Teilverkaufsvereinbarung.
Rechtsmängel und Belastungen
Im nächsten Absatz der Teilverkaufsvereinbarung geht es um Rechtsmängel und Belastungen. Gemeint ist hiermit, dass der Verkäufer den Kaufgegenstand – also das Grundstück mitsamt Aufbauten – frei von Rechtsmängeln zu liefern hat, dabei insbesondere frei von sogenannten grundbuchlichen Belastungen, die der Käufer nicht übernimmt und frei von Miet- und Pachtverhältnissen. Explizit ausgeschlossen hiervon ist der Mietvertrag mit dem Verkäufer, auf den hier bereits verwiesen und den wir im Zusammenhang mit dem Thema Nießbrauch beleuchten werden.
Spannend in diesem Absatz ist auch die Regelung hinsichtlich der Erschließungskosten und Anliegerbeiträge. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Kosten, die eine Gemeinde von den Anliegern erhebt, wenn eine anliegende Straße neu gebaut oder saniert wird. In der uns vorliegenden Teilverkaufsvereinbarung erklärt der Verkäufer auch künftig sämtliche anfallenden Beiträge zu tragen.
Auch hier liegt ein Unterschied zu einem klassischen Immobilienverkauf. Mit der vollständigen Kaufpreiszahlung und Übergabe der Immobilie bei einer klassischen Transaktion geht die Zahlungsverpflichtung für zukünftig anfallende Erschließungskosten in der Regel auf den Käufer über.
Sachmängel und Haftung
Neben Rechtsmängeln gilt es auch sogenannte Sachmängel zu beleuchten. Jeder der bereits eine Immobilie auf dem klassischen Weg gekauft hat, kennt den Spruch des Notars „Gekauft wie gesehen!“. Bei der uns vorliegenden Teilverkaufsvereinbarung besteht kein Unterschied und Engel & Völkers kauft die Immobilie wie sie „steht und liegt“, nachdem ein Sachverständiger die Immobilie vorab begutachten konnte.
Es wird lediglich vereinbart, dass seit dem Sachverständigengutachten keine über eine „gewöhnliche Abnutzung“ hinausgehende Verschlechterung der Immobilie stattgefunden hat und dem Verkäufer keine versteckten Mängel, insbesondere Hausbock, Hausschwamm oder Trockenfäule, noch Baulasten, Altlasten oder unerledigte behördliche Verfügungen oder Auflagen bekannt sind.
Etwas weniger juristisch formuliert bedeutet dies: Die leichte bzw. graduelle Abnutzung von z.B. Parkett über viele Jahre in einer Wohnung fällt unter die sogenannte gewöhnliche Abnutzung. Fällt dem Verkäufer zwischen Sachverständigengutachten und Teilverkaufsvereinbarung jedoch eine schwere Bowlingkugel auf den Parkettboden und hinterlässt einen größeren Schaden, geht dies über eine gewöhnliche Abnutzung hinaus. Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf versteckte Mängel. Sofern der Verkäufer Kenntnis über einen Mangel seiner Immobilie hat, der für einen Dritten nicht ohne weiteres erkennbar ist, ist der Verkäufer zwingend zur Offenlegung verpflichtet.
Finanzierungsvollmacht – jetzt wird‘s spannend!
Sie merken bereits beim Lesen dieses Artikels, dass die bisherigen Unterschiede zwischen klassischem Immobilienverkauf und Teilverkauf marginal sind. Wir kommen nun zum Thema Kaufpreisfinanzierung – und hier geht es deutlich auseinander und erste große Risiken des Immobilienteilverkaufs kommen zum Tragen.
Der Ablauf bei einem klassischen Verkauf ist relativ einfach: Damit die Bank des Käufers den Kaufpreis bezahlt, will die Bank schon vor der Kaufpreiszahlung eine Sicherheit haben – nämlich das zu kaufende Haus! Da das Haus dem Käufer noch nicht gehört, erlaubt der Verkäufer dem Käufer, die Immobilie, die verkauft werden soll, bereits vor Zahlung des Kaufpreises zu belasten. Dies nennt sich „Auflassungsvormerkung“. Wenn dann alle Kaufpreiszahlungsvoraussetzungen vorliegen, zahlt die Bank den Kaufpreis an den Verkäufer und der Notar löscht die Auflassungsvormerkung und trägt den Käufer als neuer Eigentümer ins Grundbuch ein – ab da ist der Verkäufer „raus“.
Bei dem uns vorliegenden Teilverkauf sieht es etwas anders aus. Bisher ist die Frage noch ungeklärt, wie die Anbieter von Teilverkäufen – in unserem Fall Engel & Völkers – den Kaufpreis für 50 % der Immobilie überhaupt bezahlen. Dies wird nun deutlich: Im Abschnitt „Finanzierungsvollmacht“ ermächtigt der Verkäufer den Käufer, das Grundstück zu Gunsten von Kreditinstituten mit Grundpfandrechten in Höhe eines Betrags von bis zu 117 % des Kaufpreises zzgl. bis zu 18 % Jahreszinsen und bis zu 5 % einmaliger Nebenleistung zu belasten und dabei den Eigentümer in Ansehung dieser Grundpfandrechte nach § 800 ZPO der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.
Die für den Verkäufer greifende Einschränkung/Bedingung hierfür ist, dass „der Nießbraucher (Anmerkung: also Verkäufer) mit der Zahlung der Nutzungsgebühr in Höhe eines Betrags in Verzug ist, der die Nutzungsgebühr für drei Monate erreicht und eine schriftlich gesetzte Nachfrist von 90 Bankarbeitstagen fruchtlos verstreicht.“
Wow okay, das klingt alles erstmal sehr juristisch. Wir versuchen es einfach zusammenzufassen: Der Käufer bringt für den Teilverkauf kein Geld mit. Das Geld, dass der Verkäufer für den verkauften Teil seiner Immobilie erhält, finanziert der Käufer mit einer Grundschuld auf der Immobilie des Verkäufers.
Obwohl der Verkäufer nur 50 % des festgelegten Verkehrswerts für seine Immobilie erhält, darf der Käufer mehr als 50 % der Immobilie mit einem Kredit beleihen.
Beispiel: Echte Zahlen machen alles etwas anschaulicher! In unserem Beispiel liegt der Verkehrswert der Immobilie bei 400.000 €. Der Kaufpreis für 50 % beträgt demnach 200.000 €. Der Käufer müsste nun also 200.000 € zzgl. Kaufnebenkosten mitbringen – kann diese aber zu 117 % über die Immobilie finanzieren, darf die Immobilie also mit einem Kredit über 200.000 * 1,17 = 234.000 € beleihen!
Hinzu kommt, dass die Immobilie zwangsversteigert werden kann, sofern der Verkäufer mit 3 monatlichen Zahlungen der Nutzungsgebühr in Rückstand ist und eine schriftlich gesetzte Nachfrist von 90 Bankarbeitstagen ohne Zahlung der Nutzungsgebühr verstreicht. Auf die Nutzungsgebühr gehen wir später noch ein.
Es sei noch erwähnt, dass dem Käufer eingeräumt wird, die Finanzierungsvollmacht unter Beachtung ihrer Beschränkungen mehrfach zu gebrauchen, insbesondere zur Zwischen- und Umfinanzierung.
Nießbrauch und Teilverkauf – was hat es damit auf sich?
In der uns vorliegenden Teilverkaufsvereinbarung wurde an mehreren Stellen bereits auf ein „Nießbrauchrecht“ und eine „Nutzungsgebühr“ eingegangen. Grund genug, dass diese Begriffe näher definiert werden. Da sie den Kernpunkt des Teilverkaufs einer Immobilie betreffen, ist dem Teil „Nießbrauch“ auch ein eigener Abschnitt gewidmet, den wir uns nun zusammen ansehen.
Beim Teilverkauf räumt der Käufer dem Verkäufer (auch „Nießbraucher“) einen Nießbrauch am Kaufgegenstand ein. Das Recht, die Ausübung des Nießbrauchs Dritten zu überlassen, ist dabei ausgeschlossen. Es ist damit ausschließlich an die Person „Verkäufer“ gebunden.
Für den Nießbrauch an der Immobilie wird ein Entgelt bezahlt. Dieses beträgt in unserem Fall monatlich € 917,00, die sogenannte „Nutzungsgebühr“. Diese Nutzungsgebühr ist jeden Monat zu zahlen und der Höhe nach für zehn Jahre ab dem Datum des Teilverkaufs fest vereinbart. Sie beträgt aktuell 5,5 % des Kaufpreises von 200.000 € (200.000 € * 0,055 / 12 Monate). Diese 5,5 % Nutzungsgebühr bzw. „Zins“ sind somit der Vergleichswert zu einem herkömmlichen Bankendarlehen.
Nach Ablauf der zehn Jahre unterliegt die Nutzungsgebühr der Anpassung nach dem sogenannten „10-Jahres-Swap-Satz“. Um nicht zu tief in die Finanzmathematik einzusteigen: Der 10-Jahres-Swap-Satz ist ein tagesaktueller Zinssatz, zu dem Banken bereit sind für die Dauer von 10 Jahren Geldgeschäfte zu tätigen. Dieser Zinssatz ist nicht starr und unterliegt Schwankungen. Grundsätzlich gilt: Steigen die Zinsen, steigt auch der 10-Jahres-Swap-Satz.
Es ist also durchaus möglich, dass die 10 Jahre gültige Nutzungsgebühr nach 10 Jahren steigt – oder fällt. Je nachdem wie sich der Zinsmarkt verändert. Anbei eine Grafik, wie sich der 10-Jahres-Swap-Satz entwickelt hat.
Um die Auswirkungen sich verändernder Zinsen auf unser Beispiel darzulegen, erschlagen wir Sie nicht mit großen Formeln. In unserem Fall sorgt ein um 1 % gestiegener Swap-Satz für eine monatliche Nutzungsgebühr von 1.083 €. Im Falle sinkender Zinsen sorgt ein um 1 % gesunkener Swap-Satz für eine monatliche Nutzungsgebühr von 750 €.
Wichtig ist auch, dass der Verkäufer dem Käufer zur Sicherung aller seiner Ansprüche auf Zahlung der Nutzungsgebühr eine Reallast an dem bei ihm verbleibenden Miteigentumsanteil einräumt, sprich der Verkäufer haftet für die Zahlung der Nutzungsgebühr mit seiner verbliebenen Hälfte der Immobilie.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwischen den Parteien kein Miet- oder Pachtverhältnis begründet wird und mietrechtliche Vorschriften ausdrücklich keine entsprechende Anwendung finden. Dies dient im Wesentlichen der Enthaftung des Teilkauf-Anbieters, der ja gerade keinen Vermieterpflichten unterliegen will.
Der Nießbrauch wird dabei grundsätzlich auf Lebenszeit eingeräumt. Nur in bestimmten Fällen wird das Nießbrauchrecht aufgelöst. Hierzu zählen unter anderem, dass der Verkäufer verstirbt oder mit der Zahlung der Nutzungsgebühr in Verzug ist und eine schriftlich gesetzte Nachfrist von 90 Bankarbeitstagen ist fruchtlos verstreicht.
Wie Sie erkennen können, kommen Verkäufer in unmittelbare finanzielle Bedrängnis, sobald sie in Zahlungsschwierigkeiten rund um die vereinbarte Nutzungsgebühr kommen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die tatsächliche Veränderung der Nutzungsgebühr nach Ablauf von 10 Jahren nicht planbar ist! Daher weist der Notar in der uns vorliegenden Teilverkaufsvereinbarung mit folgendem Wortlaut auf das explizite Risiko hin:
„Der Notar hat erneut über die herausragende Bedeutung der vertragsgemäßen Zahlung der Nutzungsgebühr belehrt.“
Denn Achtung: Der Nießbraucher verpflichtet sich gemäß Teilverkaufsvereinbarung, das Grundstück (inkl. Bestandsgebäude) nach dem Ende des Nießbrauchs unverzüglich zu räumen.
Miteigentümervereinbarung – aus eins mach zwei!
Natürlich muss in einer Teilverkaufsvereinbarung auch das neue Miteinander geregelt werden. Denn wo bisher ein Eigentümer alleine Entscheidungen treffen durfte, kommt nun der neue Käufer mit ins Boot.
Die sogenannte Miteigentümervereinbarung wird im Grundbuch eingetragen. Im Hinblick auf die Benutzung ist der Verkäufer zur ausschließlichen Nutzung des Grundstücks berechtigt. Der Käufer darf das Grundstück (inkl. Bestandsgebäude) nur zur Ermittlung des jeweils aktuellen Verkehrswerts betreten und besichtigen und hierbei auch Dritte (z.B. Sachverständige) hinzuziehen. Berechtigte Interessen des Verkäufers sind zu berücksichtigen – hierzu zählt insbesondere das rechtzeitige Abstimmen von Besichtigungsterminen.
Der in der Immobilie weiterhin lebende Verkäufer ist zur gewöhnlichen Unterhaltung des Grundstücks auf eigene Kosten verpflichtet. Er darf außergewöhnliche Ausbesserungen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Käufers vornehmen. Hierzu zählen beispielsweise:
- die Errichtung, Umbau oder Anbau von Gebäuden oder Gebäudeteilen.
- der Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Miet-, Pacht- oder sonstigen schuldrechtlichen Nutzungsverhältnissen. In jedem Fall hat der Verkäufer den Käufer hierüber jedoch zu informieren.
- der Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Nachbarschaftsvereinbarungen oder Vereinbarungen mit öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Behörden sowie Beantragung oder Änderung von Baugenehmigungen.
Neben der Einschränkung in die Entscheidungshoheit was mit der Immobilie passiert, trägt der Verkäufer sämtliche öffentlichen und privaten Lasten des Grundstücks. Auch hat er das Grundstück auf eigene Kosten zum gleitenden Neuwert gegen Elementarschäden (Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel sowie Überschwemmungen, Erdbeben, Erdsenkungen und Erdrutsche) zu versichern.
Jedwede Ansprüche gegen den Käufer auf Erstattung von hierbei anfallenden Auslagen oder Aufwendungen werden in der Teilverkaufsvereinbarung direkt ausgeschlossen. Sofern Aufwendungen für eine ggf. notwendige Verwaltung der Immobilie anfallen, sind diese ebenfalls ausschließlich vom Verkäufer zu tragen, solange er als Nießbraucher im Grundbuch eingetragen ist.
Für diejenigen Leser mit juristischem Hintergrund: Die Aufhebung der Gemeinschaft nach § 749 BGB wird explizit vertraglich ausgeschlossen.
Achtung – das dicke Ende kommt noch!
Unter dem Absatz „Weitere Vereinbarungen der Miteigentümer“ verbirgt sich noch ein ganz schön dickes Brett! Wir springen gedanklich zurück zum Anfang unseres Artikels. Die uns als Beispiel vorliegende Teilverkaufsvereinbarung sollte mit der EV LiquidHome GmbH geschlossen werden. Nun ist die Mutter von EV LiquidHome GmbH das Maklerunternehmen Engel & Völkers. Das ursprüngliche Unternehmensziel von Engel & Völkers ist die Vermittlung von Immobilien – und hier schließt sich nun der Kreis.
Für den Fall, dass der Nießbrauch endet oder der Verkäufer in solch finanzielle Not geraten ist, dass die bewohnte Immobilie bzw. die restliche Hälfte im Eigentum des Verkäufers auch noch verkauft werden soll, wird die EV LiquidHome GmbH bereits zum Vertragsschluss der Teilverkaufsvereinbarung unwiderruflich beauftragt, das Grundstück an einen oder mehrere Dritte zu verkaufen!
Da der Nießbrauch auch mit dem Tod des Verkäufers endet, sehen sich potentielle Erben demnach mit einem unwiderruflichen Verkaufsauftrag an die EV LiquidHome GmbH konfrontiert, wobei konfrontiert den Kern tatsächlich nicht trifft. Denn mit der Teilverkaufsvereinbarung wird bereits Vollmacht zur Ausführung des Verkaufsauftrags erteilt, sodass die EV LiquidHome selbstständig alle Schritte zum Verkauf im Innen- und Außenverhältnis durchführen darf.
Ablauf – wie erfolgt der Verkauf?
Zunächst wird im Falle des Verkaufs der Verkehrswert des Grundstücks entweder durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ermittelt oder durch Einvernehmen zwischen den Parteien festgelegt. Sollten sich die Parteien im Innenverhältnis nicht einigen können, ist vertraglich geregelt, dass der vom Sachverständigen festgestellte Verkehrswert für die Parteien verbindlich ist.
Im Hinblick auf unsere oben gezogene Verbindung folgender Satz aus der Teilverkaufsvereinbarung: „EV LiquidHome darf zur Vermarktung des Grundstücks Makler beauftragen.“
Engel & Völkers sichert sich also schon mit dem Teilkauf einer Immobilie den zukünftig eintretenden Verkauf.
Beim angestrebten Verkauf wird für den Verkaufspreis zunächst eine 100 % Hürde des Verkehrswerts angesetzt. Sollte diese innerhalb von zwölf Monaten nach Ermittlung des Verkehrswerts nicht erzielt werden können und trotz entsprechender Verkaufsbemühungen kein notarieller Kaufvertrag geschlossen werden, verringert sich die zu erreichende Hürde ab dem 13. Monat um jeweils fünf Prozentpunkte je angefangenem Quartal.
Und was passiert mit dem Verkaufserlös?
Der Verkaufserlös steht zunächst beiden Parteien anteilig nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu – also 50/50. Das klingt grundsätzlich erstmal fair. Jedoch behält sich EV LiquidHome vor, mindestens einen Betrag in Höhe von 117 % des heutigen Kaufpreises zu erhalten. Na? Die Zahl kommt uns doch bereits bekannt vor, denn dies ist die Höhe, mit der das Grundbuch belastet werden durfte. Aus Sicht von Teilkauf-Anbietern – in unserem Fall EV LiquidHome – sehr intelligent gemacht. Zumindest für den Anbieter. Denn dieser finanziert den vollen Kaufpreis inklusive Kaufnebenkosten, lässt diese durch die Nutzungsgebühr durch den Verkäufer abzahlen und im Falle des Verkaufs bzw. der Beendigung des Vertrags holt sich der Teilkauf-Anbieter in jedem Fall nicht nur das Darlehen, sondern auch die Kaufnebenkosten wieder.
Klingt erstmal kompliziert! Wir stellen es anhand eines anschaulichen Beispiels dar:
In unserem Beispiel beträgt der Verkehrswert der Immobilie 400.000 €. EV LiquidHome bezahlt 200.000 € für 50 % der Immobilie. Nun gibt es im Falle des Verkaufs drei verschiedene Szenarien:
Szenario 1. Immobilie wird zu 350.000 € verkauft: EV LiquidHome erhält 234.000 €, der Verkäufer oder seine Erben 116.000 €.
Szenario 2. Immobilie wird zu 400.000 € verkauft: EV LiquidHome erhält 234.000 €, der Verkäufer oder seine Erben 166.000 €.
Szenario 3. Immobilie wird zu 500.000 € verkauft: EV LiquidHome erhält 250.000 €, der Verkäufer oder seine Erben 250.000 €.
Im Verkaufsfall stellt sich der Eigentümer oder seine Erben also nie besser als der Teilkauf-Anbieter. Nur im Falle starker Kaufpreissteigerungen wird der Verkaufserlös tatsächlich 50/50 geteilt…oder?
Leider nicht ganz. Denn EV LiquidHome hält auch an dieser Stelle nochmal großzügig die Hand auf. In der Teilverkaufsvereinbarung wird EV LiquidHome für Leistungen, „die EV LiquidHome auch über die Ermittlung des Verkehrswerts und die Beauftragung von Maklern hinaus zur Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung des Verkaufs erbringt“ als pauschale Vergütung 5,5 % des Verkaufserlöses zugesprochen.
Bezogen auf unsere obigen Beispiele reduziert sich der Verkäuferanteil bzw. der seiner Erben also um folgende Beiträge:
Szenario 1. Immobilie wird zu 350.000 € verkauft: 116.000 € – 19.250 € = 96.750 €
Szenario 2. Immobilie wird zu 400.000 € verkauft: 166.000 € – 22.000 € = 144.000 €
Szenario 3. Immobilie wird zu 500.000 € verkauft: 250.000 € – 27.500 € = 222.500 €
Starker Tobak – das ist uns bewusst. Leider ist dies noch nicht das Ende der Regelungen. Denn: Versucht der Verkäufer irgendwann während der Laufzeit oder die Erben am Ende aus dieser Regelung auszubrechen, bildet EV LiquidHome hierfür im Vertragswerk natürlich auch Regeln ab.
Das sogenannte „jederzeitige Rückkaufsrecht“ sieht vor, dass dasselbe Prozedere wie im „externen“ Verkauf passiert. D.h. in Kurzfassung: Bewertung der Immobilie durch Sachverständigen oder Einvernehmen über Kaufpreis zwischen den Parteien, EV LiquidHome erhält aber mindestens 117 % des Kaufpreises. Was sich jedoch marginal reduziert ist die pauschale Vergütung. Hier werden im Fall des Rückkaufrechts „nur“ 3 % anstatt 5,5 % berechnet.
Schlussbestimmungen – hier schließt sich der Kreis
Wie in jedem Kaufvertrag – egal ob es sich um einen klassischen Immobilienverkauf oder eine Teilverkaufsvereinbarung handelt – endet dieser mit den sogenannten Schlussbestimmungen. Hierbei werden Kosten verteilt, Grundbucherklärungen bestimmt und die Durchführungsschritte und die hiermit beauftragten Personen, in der Regel Mitarbeiter des jeweiligen Notariats, definiert. Da es sich um keine Besonderheiten eines Teilverkaufs handelt, behandeln wir diese hier etwas stiefmütterlich.
Fazit: Das Geschäftsmodell und ob es sich wirklich lohnt!
Für uns ist klar, dass der Teilverkauf einer Immobilie nur einen Gewinner kennt: Den Teilkauf-Anbieter. Für Eigentümer einer Immobilie gibt es aus unserer Sicht kein Szenario, in dem sie sich langfristig besserstellen – nicht nur im Hinblick auf den klassischen Verkauf, sondern auch Optionen wie die Überbrückung finanzieller Engpässe durch beispielsweise Darlehen. Hinzu kommt das Risiko, etwaige Veränderungen der Nutzungsgebühr nicht vorhersagen zu können und mit der Zahlung der Nutzungsgebühr in Rückstand zu geraten und hieraus resultierend das eigene Heim zu verlieren.
Die Gewinner sind bei diesem Modell klar die Teilkauf-Anbieter. Durch die Verlockung des „schnellen Gelds“ und der Möglichkeit „im eigenen Haus wohnen bleiben zu können“, bringen sich die Teilkauf-Anbieter in eine Position, in der der Eigentümer nun den verkauften 50 % Anteil an seiner eigenen Immobilie für den Teilkauf-Anbieter abzahlt – inklusive 5,5 % Zinsen!
Diese bringen dafür nicht mal eigenes Geld mit, sondern finanzieren den 50 % Anteil über eine Bank, ggf. inklusive Kaufnebenkosten und beleihen dabei die Immobilie des Verkäufers. Dabei wird ein – falls vorhandenes – Darlehen einer dritten Bank zunächst abgelöst und nur der Überschuss tatsächlich an den Verkäufer ausgezahlt.
Und das Beste dabei aus Sicht der Teilkauf-Anbieter: Sie tragen keinerlei Verpflichtungen bzw. Risiken die Immobilie betreffend, denn alle Verpflichtungen verbleiben zu 100 % beim Verkäufer, obwohl er nur noch 50 % besitzt. Dabei ist es nach Unterschrift für den Teilkauf-Anbieter egal, auf welchem Weg die Vereinbarung endet, denn neben der laufenden Verzinsung über die Nutzungsgebühr schlagen vor allem auch bei der Verwertung der Immobilie beträchtliche Gewinne zu Buche – zu Lasten der Verkäufer.
Auch ein möglicher Wertverlust der Immobilie wird durch den Eigentümer getragen, da der Verkaufserlös für den Teilkauf-Anbieter bereits beim Abschluss festgeschrieben wird – so wie in unserem obigen Beispiel dargestellt. Erst wenn die Immobilie über die Hälfte an Wert verliert, kommen auch Teilkauf-Anbieter abhängig von der bisherigen Laufzeit und vereinnahmten Nutzungsgebühr ins Risiko.
Kompliziert? Wir beraten Sie – unabhängig und professionell!
Wenn Sie den Artikel vollständig gelesen haben – Respekt! Uns ist bewusst, dass es sich beim Teilverkauf einer Immobilie um komplexe rechtliche Konstrukte handelt. Daher ist es wichtig, möglichst alle Optionen zu kennen, ehe eine fundierte Entscheidung getroffen wird. Im Hinblick auf mögliche Optionen, wie den „klassischen“ Immobilienverkauf oder die Vermietung Ihrer Immobilie, beraten Sie unsere Immobilien-Experten gerne. Rufen Sie an 02235 – 92 92 60.
Disclaimer: Es ist wichtig zu beachten, dass der Teilverkauf einer Immobilie große Auswirkungen auf Ihr Leben haben kann. Vor einem Teilverkauf sollten Sie daher immer eine sorgfältige rechtliche, finanzielle und steuerliche Beratung in Anspruch nehmen.