Können Mieter den Zutritt zur Wohnung verhindern, wenn die Wohnung verkauft werden soll?
Wenn eine vermietete Immobilie verkauft werden soll, stehen sich die Interessen von Mieter und Vermieter diametral entgegen: Vermieter wollen natürlich möglichst vielen Interessenten die Wohnung zeigen, um das beste Verhandlungsergebnis zu erzielen, während sich Mieter um ihre Zukunft in den „eigenen“ vier Wänden sorgen und zukünftige, renditegetriebene Mietsteigerungen fürchten.
Da liegt es doch aus Sicht eines Mieters nahe, einen anstehenden Verkauf zumindest zu verzögern oder zu erschweren – doch dürfen Mieter den Zutritt zur Wohnung im Verkaufsfall einfach verhindern? In unserem Artikel gehen wir darauf ein, welche Spielregeln in solch einer Situation für alle Seiten gelten.
Grundsätzlich müssen Mieter den Zutritt gewähren – allerdings nur unter bestimmten Rahmenbedingungen
Wir haben bereits vor einiger Zeit in unserem Blog über ein Grundsatzurteil des BGH berichtet, wonach Mieter grundsätzlich Zutritt zur Wohnung gewähren müssen, wenn der Vermieter diese verkaufen möchte. Jedoch erfolgt dieser Zutritt nicht willkürlich, sondern nur unter bestimmten Rahmenbedingungen, die dem Schutz der Mieter dienen sollen.
Oft reicht schon ein Blick in den Mietvertrag – denn die meisten Mietverträge regeln bereits für einen solchen Fall, wie und wann der Zutritt zur Wohnung durch den Mieter geduldet werden muss und unter welchen Umständen der Vermieter diesen einfordern darf.
Ein Beispiel aus den aktuellen Mietverträgen des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins definiert die Regeln wie folgt: Vermieter oder durch ihn Beauftragte (z.B. Makler) dürfen nur nach vorheriger terminlicher Absprache und nur sofern keine berechtigten Interessen des Mieters entgegenstehen das Mietobjekt zusammen mit Kaufinteressenten, Handwerkern und Sachverständigen Montag bis Samstag in der Zeit von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr betreten.
Natürlich schließt dies nicht aus, dass auch Termine außerhalb dieser Zeiten stattfinden – jedoch ist der Mieter hierzu nicht verpflichtet.
Doch was sind berechtigte Interessen des Mieters und was gilt, wenn ein Mieter psychisch schwer krank ist? Ein solcher Fall beschäftigte kürzlich den BGH – doch was war passiert?
Mieter verweigert Zutritt wegen psychischer Erkrankung
Im Nürnberger Land stand der Verkauf einer vermieteten Wohnung an. Zum Wohl der in der Wohnung lebenden Mieterin sollte der Verkauf des bisherigen Vermieters auch wieder an einen Kapitalanleger erfolgen, sodass sich für die Mieterin – bis auf das Konto, auf dass die Miete überwiesen wird – nichts ändern sollte.
Wie in den meisten Mietverträgen üblich, regelte auch der Mietvertrag des betroffenen Falls den Zutritt zur Wohnung aus berechtigtem Grund und der bisherige Vermieter hielt sich an eine angemessene Ankündigungsfrist.
Trotz der durch den Vermieter eingehaltenen Spielregeln verweigerte die Mieterin mit Verweis auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung den Zutritt zur Wohnung und erhielt in der vorangegangenen Instanz vom Landgericht Nürnberg unter Berufung auf ein psychiatrisches Gutachten eines Sachverständigen hierfür Rückendeckung.
Mit Blick auf ein „komplexes, psychisches Störungsbild mit depressiven Verstimmungszuständen, Ängsten, Zwängen und dissoziativen Störungen“ und einer vorausgegangenen, 20-jährigen psychiatrischen Behandlung und mehrfacher Suizidversuche, berge eine Wohnungsbesichtigung laut Ansicht der Richter am LG Nürnberg das Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustands der Mieterin.
BGH spielt den Fall ans Landgericht Nürnberg zurück – Mieter müssen bei Besichtigung nicht anwesend sein
Der BGH teilte die rechtliche Auffassung des Landgerichts nicht und spielte den Fall mit Verweis auf das psychiatrische Gutachten ans LG Nürnberg zurück. Denn bei genauer Betrachtung des Gutachtens, öffnete der beurteilende Sachverständige eine Möglichkeit, die am LG Nürnberg keine Beachtung fand: Die Mieterin können sich sehr wohl durch eine Vertrauensperson oder beispielsweise ihren Anwalt vertreten lassen, um selbst bei der Wohnungsbesichtigung nicht anwesend sein zu müssen.
Laut Gutachter sei dies eine Möglichkeit, das Risiko der Mieterin für gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Verschlechterungen erheblich zu reduzieren.
Auch hier zeigt sich eine Anpassung und Relativierung der Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern. So genieße zwar das Wohlergehen eines Mieters in Deutschland einen hohen Schutz, jedoch dürfe dies nicht zur vollständigen Blockade und einer Schädigung des Vermieters kommen.
Wir werden in unserem Blog weiter über den Fortgang des Verfahrens informieren.
BGH-Urteil vom 26.04.2023 – Az. VIII ZR 420/21