Balkon als Wohnfläche – Zur Hälfte oder nur zu einem Viertel?
Die Frage in wieweit ein Balkon in der Wohnflächenberechnung und somit als vermietbare Fläche den Mietpreis beeinflussend berücksichtigt werden darf, wirft regelmäßig Fragen auf. Hinzu kommt, dass die Berechnungsmethode für Flächen in Immobilien immer wieder Veränderungen erfahren hat. Ein neuer Beschluss des BGH bringt Licht ins Dunkel!
Doch was war passiert? Mieterhöhung als Stein des Anstoßes!
Im Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 17.10.2023 (Az.: VIII ZR 61/23) wird zunächst das grobe Geschehen skizziert: Eine Mieterin wohnt seit dem 16.04.2014 im dritten Obergeschoss einer preisungebundenen Wohnung in Bonn. Beklagte ist die Vermieterin, die der Mieterin die rund 49,18 m² große Wohnung aus den 1960er Jahren bis zum April 2017 für 528 € vermietete und ab Mai 2017 eine Erhöhung auf 537,78 € verlangte. Als die Wohnfläche im Zeitraum der Erbauung der Immobilie berechnet wurde, wurden hierfür die in den 1960er Jahren gültigen Berechnungsgrundlagen angewandt.
Da die Vermieterin im April 2021 die Miete erneut anheben wollte, sah sich die Mieterin veranlasst, die Wohnung auf eigene Kosten vermessen zu lassen.
Das Ergebnis der Neuvermessung: Die Wohnfläche belaufe sich tatsächlich nur auf 42,64 m² und habe somit rund 13,3 Prozent Abweichung zur vereinbarten Wohnfläche – zu viel (bzw. zu wenig Wohnfläche!) aus Sicht der Mieterin, die die beklagte Vermieterin auf Rückzahlung überzahlter Miete rückwirkend bis zum Mietbeginn in 2014 verklagte.
Der Streitwert belief sich dabei auf 6.139,03 € zuzüglich der Kosten für die vorgerichtliche Erstellung der Wohnflächenberechnung durch einen Sachverständigen in Höhe von 258,23 € – natürlich jeweils nebst Zinsen.
Die Vermieterin wies alle Schuld von sich und verwies darauf, dass die Mietsache keinen Mangel haben.
Zunächst landete der Fall aufgrund des Streitwerts vor dem Amtsgericht
Bei einer ersten rechtlichen Würdigung vor dem Amtsgericht sorgte dieses zunächst für belastbare Fakten indem ein Sachverständiger ebenfalls mit der Berechnung der Wohnfläche beauftragt wurde. Dieser nahm Maß, berechnete die Wohnfläche anhand der Wohnflächenverordnung und kam auf eine Wohnfläche von 43,3 m². Also etwas mehr als von der Mieterin behauptet, jedoch immer rund 11,96 % Abweichung zu der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche.
Das Amtsgericht gab der Forderung der Mieterin statt und korrigierte die Forderung pro rata auf 5.779,21 € nebst Zinsen.
Knackpunkt Wohnfläche: Zählt der Balkon zur Hälfte oder nur zu einem Viertel?
Bei der Berechnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen berücksichtigte dieser den zur Wohnung gehörenden Balkon mit einem Viertel, was 1,069 m² entsprach. Hier lag auch der Knackpunkt, den das Berufungsgericht zwischen den streitenden Parteien zu klären hatte: Zählt der Balkon zur Hälfte oder nur zu einem Viertel zur Wohnfläche? Denn eine Berücksichtigung zur Hälfte hätte zur Folge, dass die Abweichung der Wohnfläche unter 10 % gelegen hätte und einen Anspruch der Mieterin gegen die Vermieterin hätte erlöschen lassen.
Zur Anrechnungsfrage von Balkonen führte das Berufungsgericht aus, dass:
„[…] nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Begriff der „Wohnfläche“ im frei finanzierten Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses am 24. März 2014 geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln […]“
gewesen sei.
Es komme daher also darauf an, wann der Mietvertrag abgeschlossen wurde und welche Berechnungsgrundlage zu dem Zeitpunkt Anwendung gefunden hat – sofern keine anderen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Mietparteien getroffen wurden.
Auch wenn die beklagte Vermieterin auf die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV verweise, wonach die Zweite Berechnungsverordnung Anwendung finde und auch keine baulichen Veränderungen vorgenommen wurden, die eine Neuberechnung der Wohnfläche erforderlich gemacht hätten, vertrat das Berufungsgericht einen anderen Standpunkt.
Achtung, denn jetzt wird’s sehr theoretisch: Laut Berufungsgericht seien zwischen den Parteien materiell rechtlich stillschweigend die Berechnungsvorschriften vereinbart worden – nicht jedoch die Anwendung einer Überleitungsvorschrift. Oha!
Hierüber hinaus führte das Gericht weiter aus, dass es auch keine anderen Anhaltspunkte sehe, die eine höhere Anrechnung des Balkons als zu einem Viertel rechtfertige. Der streitige Balkon sei aufgrund der geringen Größe von nur 4 m² und den üblichen regionalen Witterungsbedingungen nur eingeschränkt nutzbar. Argumente wie die Lage zur straßenabgewandten Seite, eine sonnenreiche Ausrichtung und die Nutzbarkeit bei Regen begründen im Vergleich zu anderen Balkonen keine Umstände, die eine höhere Anrechnung von bis zu 50 % als Wohnfläche rechtfertige.
Darf die Mieterin tatsächlich bis zum Mietbeginn zu viel gezahlte Miete zurück fordern?
Ja! Auch hierzu nahm das Berufungsgericht Stellung. Für den Beginn der Verjährungsfrist von 3 Jahren zum Ende des Kalenderjahres nach § 199 Abs. 1. Nr. 2 BGB komme es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Mieterin an. Diese habe über die tatsächlich vom Mietvertrag abweichende Wohnfläche erst mit der im Zusammenhang mit dem Mieterhöhungsverlangen stehenden Vermessung der Wohnung in 2021 Kenntnis erhalten, wonach die Verjährung bei der Einreichung der Klage im Dezember 2021 noch nicht eingetreten war.
So hatte die Vermieterin im Nachgang das Nachsehen.
Den ganzen Beschluss des BGH gibt’s hier zum Nachlesen.
Fazit: Auf die vertragliche Regelung kommt‘s an!
Grundsätzlich geht die Rechtsprechung aktuell davon aus, dass bei Abschluss eines Mietvertrags auf die geltenden Bestimmungen zur Berechnung der Wohnfläche zurückzugreifen ist, die zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gelten – nicht zum Zeitpunkt der Erbauung der Immobilie bzw. der ersten Berechnung der Wohnfläche!
Für Vermieter gibt es nun verschiedene Ansätze mit dem Beschluss des BGH umzugehen. So können Vermieter bei älteren Immobilien eine neue Wohnflächenberechnung durch einen Sachverständigen gem. aktuell gültiger Wohnflächenverordnung durchführen lassen und diese Fläche im Mietvertrag angeben. Eine andere Möglichkeit könnte durch die vertragliche Anwendung der Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV gefunden werden.
Wer als Vermieter im Nachhinein nicht das Nachsehen haben möchte, kann es getreu dem Motto „keep it simple“ auch ganz einfach halten: Wer den Balkon einer Mietwohnung nur zu einem Viertel ansetzt, ist grundsätzlich auf der sicheren Seite!